Alice und Thomas lernten sich noch während des Studiums kennen.
Er war ein energiegeladener junger Mann mit einem ausgeprägten Geschäftssinn — schon damals interessierte er sich für Unternehmertum und träumte davon, sein eigenes Unternehmen zu gründen. Sie war eine ruhige und kluge Studentin, studierte Linguistik, liebte Bücher und träumte von einer Familie.
Ein paar Jahre später heirateten sie. Bald kam ihr Sohn Lukas zur Welt. Alice kündigte ihren Job mit Freude, um sich ganz dem Muttersein zu widmen. Später wurde ihre Tochter Sophie geboren.
Aber die Pflege des Haushalts und zweier Kinder kostete sie all ihre Kraft. Alice beschwerte sich nicht, aber die Erschöpfung wuchs. Sie schlug vor, eine Haushaltshilfe einzustellen — wenigstens für ein paar Stunden am Tag. Thomas war dagegen:
— Muttersein ist dein Hauptberuf. Ich kümmere mich um das Geschäft. Es wird schon alles gut.
Er baute tatsächlich sein Unternehmen auf. Aber gleichzeitig kaufte er sich neue Dinge, fuhr an Wochenenden mit Freunden weg. Und wenn Alice bat, den kaputten Föhn zu ersetzen, sagte er nur: „Der alte funktioniert doch noch.“
Einige Jahre vergingen. Die Kinder wurden älter, kamen in die Schule. Alice fühlte sich immer öfter einsam. Sie versuchte, Thomas zu Spaziergängen zu überreden, schlug vor, gemeinsam ins Theater zu gehen — aber er war immer „zu beschäftigt“.
Und dann sagte er einfach:
— Ich glaube, wir sollten uns trennen. Ich fühle mich nicht mehr als Teil dieser Familie.
Alice blieb mit zwei Kindern zurück — und vielen offenen Fragen. Die erste Zeit war besonders schwer. Sie fand einen Job im Supermarkt, arbeitete in Nachtschichten und versuchte trotzdem, die Zeit mit ihren Kindern nicht zu verpassen.
— Mama, kannst du nicht öfter bei uns sein? — fragte Sophie eines Tages.
— Ich werde es versuchen, mein Schatz — flüsterte Alice.
Und genau in dieser schwierigen Zeit kam ihr das Schicksal zu Hilfe. Ihre verstorbene Großmutter hatte zu Lebzeiten kleinere Beträge in Wertpapiere investiert, was kaum jemand wusste. Nun ging all das als Erbe auf Alice über.
Sie gab das Geld nicht unüberlegt aus. Zuerst machte sie Fortbildungen. Dann kam die Idee: ein kleines Café zu eröffnen, in der Nähe der Schule ihrer Kinder.
Zwei Jahre vergingen. Das Café wurde zu einem gemütlichen Ort, den die Menschen aus der Umgebung gern besuchten. Alice lernte, ein Team zu führen, Desserts zuzubereiten und sogar Literaturabende zu veranstalten.
Und eines Tages betrat Thomas ihr Café. Er erkannte sie kaum.
— Arbeitest du hier? — fragte er überrascht.
— Nicht ganz — lächelte Alice. — Ich habe es eröffnet. Es ist mein Café.
Er schwieg, wusste nicht, was er sagen sollte.
Und sie ging zurück an ihre Arbeit — zu den Gästen, zu ihren Kindern, zu ihrem neuen Leben. Sie machte niemandem Vorwürfe. Sie hatte einfach gelernt, sich selbst zu wählen und weiterzugehen.
Manchmal können selbst schwierige Umstände der Anfang einer neuen, inspirierenden Geschichte sein. Das Wichtigste ist, an sich selbst zu glauben und nicht aufzugeben.